Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wird China ihren elften Besuch abstatten. Wie ist das aktuelle Niveau der chinesisch-deutschen Beziehungen einzuschätzen, und was sind die Höhepunkte dieses Besuchs? Der CNS-Reporter stellt dem chinesischen Botschafter in Deutschland, Shi Mingde, diese und andere Fragen.
Shi Mingde, chinesischer Botschafter in Deutschland. Archivfoto: Peng Dawei/CNS
Ein neuer Ausgangspunkt
Merkel wurde Anfang des Jahres zum vierten Mal zur deutschen Bundeskanzlerin gewählt und ist nun seit 13 Jahren an der Macht. Sie ist eine der einflussreichsten Politikerinnen Europas.
Shi Mingde sagte, dass Merkel China während ihrer Amtszeit bereits zehn Mal besucht habe. Kein anderer westlicher Regierungschef sei häufiger in China gewesen.
„Auf den diesjährigen zwei Tagungen des 13. Nationalen Volkskongresses (NVK) und des 13. Landeskomitees der Politischen Konsultativkonferenz des Chinesischen Volkes (PKKCV) hat China eine neue Staatsführung gewählt. Zur gleichen Zeit wurde in Deutschland die neue Bundesregierung gebildet.Die chinesisch-deutschen Beziehungen stehen seither an einem neuen Ausgangspunkt“, sagte Shi und fügte hinzu, dass dieser Besuch Merkels erster China-Besuch während ihrer vierten Amtszeit sei. Der Besuch werde dazu beitragen, dass die guten Arbeits- und persönlichen Beziehungen zwischen den Führungskräften beider Länder fortgesetzt werden. Die Staatschefs beider Länder werden die Richtung für die Entwicklung der beiderseitigen Beziehungen in den kommenden Jahren weisen, die Schlüsselpunkte bestimmen und die umfassende strategische Partnerschaft zwischen China und Deutschland auf eine neue Ebene heben.
Shi Mingde wies insbesondere darauf hin, dass Deutschland als erstes europäisches Land die Seidenstraßen-Initiative unterstützt habe. In den letzten Jahren hätten China und Deutschland im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative eine fruchtbare Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Der „China-Europa-Güterzug“ sei eines der am besten entwickelten und repräsentativsten Projekte darunter.
Er sagte weiter, dass die Grundprinzipien der Seidenstraßen-Initiative die gemeinsamen Konsultationen, der gemeinsame Aufbau und der gemeinsame Gewinn sei: China werde gemeinsam mit Deutschland die Konsultationen zwischen beiden Regierungen sowie andere Austausch- und Kooperationsmechanismen in verschiedenen Bereichen nutzen, um einen intensiven Meinungsaustausch mit Deutschland über die Projektkooperation zu führen und schnellstmöglich einige repräsentative Projekte festzulegen, damit die Formen und Inhalte der Kooperation im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative umfassender und reichhaltiger werden.
Den Kuchen vergrößern
In Bezug auf die unterschiedlichen Stimmen innerhalb Deutschlands über die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit und die Seidenstraßen-Initiative sagte Shi Mingde, dass China das größte Entwicklungsland der Welt sei und Deutschland das Land mit dem größten wirtschaftlichen Gewicht in Europa. Beide Länder würden sich hinsichtlich Geschichte, Kultur, Politik und Wirtschaftssystem stark unterscheiden. Es sei daher nur verständlich, dass sie zu bestimmten Themen auch unterschiedliche Ansichten hätten.
Shi erklärte, dass beide Seiten sich im Bereich Wirtschaft und Handel gegenseitig respektieren und versuchen sollten, sowohl die Sorgen als auch die nationalen Gegebenheiten und komparativen Vorteile des anderen vollständig zu verstehen und zu berücksichtigen. „Zum Beispiel ist die immer weitergehende Öffnung eine etablierte Politik in China, und unsere Entschlossenheit kann durch nichts erschüttert werden. Gleichzeitig sollte Deutschland auch verstehen, dass Chinas Öffnung ein Prozess der allmählichen Erweiterung ist. Wir müssen nicht nur berücksichtigen, dass der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen China und Deutschland auf dem Vormarsch ist, sondern wir müssen auch sehen, dass beide Länder neue und breitere Kooperationsbereiche eröffnet haben. Die Zusammenarbeit in den Bereichen Automobilherstellung, Internet und neue Energien ist eine typische Ergänzung gegenseitiger Stärken“, fügte er hinzu.
„Die Reibungen sind partiell und temporär, während die Kooperation umfassend ist und den Haupttrend darstellt“, sagte Shi Mingde. „Solange wir das Nullsummendenken und die ideologische Trennung aufgeben und uns auf die Kooperation konzentrieren, wird der Kuchen der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit immer größer werden.“
„Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Gesellschaftskreise in Deutschland die Seidenstraßen-Initiative und ihr Wesen – das durch Offenheit, Toleranz, Zusammenarbeit und gemeinsamen Gewinn gekennzeichnet ist – erkennen und verstehen werden. Besonders dann, wenn wir die chinesisch-deutsche Zusammenarbeit im Rahmen der Initiative stärken und mehr deutsche Unternehmen am Aufbau beteiligen – und den immer größer werdenden Kuchen der Kooperation teilen“, sagte Shi.
Gemeinsam den freien Handel gewährleisten
Shi meinte, dass sowohl China als auch Deutschland große Handelsnationen und Länder mit einer starken Realwirtschaft seien, die beide von der wirtschaftlichen Globalisierung und dem freien Handel profitieren und wichtige Unterstützer des internationalen Handelssystems seien. China und Deutschland sollten ihre Zusammenarbeit im Bereich des Handels stärken und zusammen die offene Weltwirtschaft und den freien Handel schützen.
China und Deutschland sollten entschieden am Multilateralismus festhalten und den Unilateralismus sowie jegliche Form des Protektionismus bekämpfen. Die Autorität der WTO-Regelungen sollte von beiden Seiten gemeinsam gewährleistet werden. Beide Länder sollten gemeinsam das faire, offene und multilaterale Handelssystem, in dem die WTO die Kernrolle spielt und die WTO-Regelwerke als Grundriss dienen, vervollkommnen.
Darüber hinaus sollten China und Deutschland ihre Zusammenarbeit im Bereich Wirtschaft und Handel mit großer Kraft verstärken, um die Stabilität der Wirtschafts- und Handelsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Die chinesische Regierung habe bereits eine Reihe wichtiger Maßnahmen bekanntgemacht, die ihre Entschlossenheit, gegen den Protektionismus zu kämpfen und nach Entwicklung durch Öffnung zu streben, verdeutliche. „Wir hoffen, Deutschland kann mit China gleichziehen und die Erleichterung des Handels und der Investitionen in Deutschland aktiv fördern. Während Chinas Tür nun immer weiter geöffnet wird, hoffen wir, dass Deutschland seine bereits geöffnete Tür jetzt nicht wieder schließt“, erklärte Shi.
Darüber hinaus spiele Deutschland in der chinesisch-europäischen Handelszusammenarbeit eine führende Rolle. „Wir hoffen, dass Deutschland den Abschluss eines chinesisch-europäischen Investitionsabkommens fördern und beschleunigen kann. Wir hoffen außerdem, sobald wie möglich auf höchster Ebene über die Möglichkeit der Vernetzung der chinesisch-europäischen Freihandelszonen zu sprechen, um das Niveau der Liberalisierung des chinesisch-europäischen Handels erhöhen zu können“, sagte der chinesische Botschafter.
Highlights des laufenden Jahres
„Der Austausch zwischen führenden Persönlichkeiten beider Länder spielt eine äußerst wichtige und führende Rolle für die Entwicklung der chinesisch-deutschen Beziehungen“, sagte Shi. Im Jahr 2018 finden die fünften chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen statt. Im Rahmen der Seidenstraßen-Initiative werden China und Deutschland in den Bereichen Kooperation auf Drittmärkten, E-Autos, autonome Fahrzeuge, Kommunikationsnetzwerke der fünften Generation (5G-Netze) und Robotern eng zusammenarbeiten.
„Durch eine Reihe gegenseitiger Besuche im laufenden Jahr können beide Länder das strategische Vertrauen Schritt für Schritt verstärken, gemeinsame Strategien entwickeln, die strategische Kooperation vertiefen und ein neues Kapitel in der umfassenden strategischen bilateralen Partnerschaft aufschlagen“, sagte Shi.
Quelle:
Beijing Rundschau, 24.05.2018,von Peng Dawei & Guo Tai
http://german.beijingreview.com.cn/International/201805/t20180524_800130660_1.html