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Das WONDERLAND von TCM | China wer bist du

发布时间:2021-06-03浏览次数:55

In Peking hatte ich wissen wollen, wie ist das Niveau und der Ausbildungshintergrund eines kleinen, eher schäbig wirkenden Massageladens in Wirklichkeit. Nun in Qingdao will ich ebenfalls wissen, was steckt hinter einer edlen TCM-Klinik, die ich letztes Jahr mit viel Tamtam das erste Mal besuchte, wo man uns den ganzen Stab der Mitarbeiter vorstellte, unter Blitzlichtgewitter eine Pulsdiagnose machte, mich aber vor allem Xuyuan Hu enorm zu beeindrucken wusste.

  

Meister nenne ich ihn dieses Mal scherzhaft, meinen Meister. Er lacht bescheiden und erinnert sich an mich. Es war ihm gelungen, eine sehr starke Migräne, die ich an diesem Morgen hatte, mittels Moxibustion, offenbar sein Spezialgebiet, wahre Wunder zu bewirken. Er erwärmte so lange meinen Körper mit einer Moxazigarre bis ich voll und ganz wieder hergestellt war und wie man in China sagt, das Chi wieder floss. Bei einer Migräne eine echte Sensation. Dieses Mal habe ich keine Beschwerden, eine Massage soll natürlich dennoch für Shasha und mich folgen. Schließlich befinden wir uns laut großen Lettern, die den Eingangsbereich zieren im „WONDERLAND“.

  

  

Doch zunächst bitten wir den kleinen, zarten Mann zum Gespräch. Ach nein, erst noch ein gemeinsames Foto mit Yuan, denn er war schon letztes Mal der Verbindungsmann zu diesem Haus. Damals ist er noch Teilhabergewesen, brachte seinen Hirsewein hier in großen Fässern als medizinisches Getränk ein, (ein Fass trägt jetzt meine Initialen und darf in drei Jahren getrunken werden), jetzt ist er es nicht mehr. Man hat unterschiedliche Ansichten über den Fortgang der Firma gehabt, sagt Yuan. Jetzt ist Yanling Li alleinige Chefin. Auch sie wird uns noch erzählen, wie sie zur TCM gekommen ist.

  

Doch zunächst nehmen wir im Aufenthaltsraum erstmal Platz mit Xuyuan Hu.

  

Xuyuan Hu ist 52 Jahre alt, hat einen 24jährigen Sohn und eine Frau, die, wie er bedauernd einräumt, sich nicht so für die TCM interessiert. Was er wiederum versteht, denn er selbst sei auch erst durch ein langes körperliches Unwohlsein auf die Spur jener alten Tradition geraten. Magen-Darm-Probleme. Nicht enden wollende Verstopfung. „Einmal habe ich sieben Tage einfach nichts gegessen“, sagt er, „aber das hat nur kurz geholfen.“ Da war er 38 Jahre alt, starker Raucher und auch sonst ein Mensch mit ungutem Lebenswandel. „Kaltes Bier, zu spät ins Bett.“

  

  

© unsplash

 

Es musste offenbar eine Veränderung stattfinden. Nur wie? Was könnte ihm helfen? Vielleicht die traditionell chinesische Medizin? Für Xujuan Hu, bis dahin einfacher Fabrikarbeiter, ist dies, obgleich chinesische Heilkunde, ein völlig neues Feld gewesen. Doch ein Versuch war es wert. Und schnell packte es ihn. Er studierte Buch um Buch, lernte die Meridiane kennen, verstand plötzlich, dass sein Körper, im speziellen Milz und Magen, zu kalt waren und kurierte sich in nur drei Monaten selbst. Was ihm half: Moxibustion und Essgewohnheiten umstellen. Warmes Essen. Immer warm. Eigentlich üblich für die Chinesen.

  

Seine Selbstheilung hat ihn so sehr beflügelt, dass er selbst mit Praktizieren begann, erst in kleinen Massagestudios, - siehe da -, später in sogenannten Körperpflegestudios. Dieses, in dem er nun tätig ist, dürfte von allen Orten das edelste Unternehmen in seiner Laufbahn sein. Es geht ihm gut hier. Er ist ein angesehener Mitarbeiter. Die TCM wird würdevoll, stilvoll und ernsthaft transportiert, nur leider kommt Xujuan Hu dennoch an seine Grenzen. An fachliche. „Ich würde so gerne eine richtige Ausbildung an einer Uni zum TCM-Arzt machen“, sagt er. „Aber dazu bin ich zu alt.“ Es ist ihm nicht mehr erlaubt.

  

  

Ein Zertifikat braucht es dennoch. So blieb ihm, wie meinen Damen in Peking, nichts weiter als einen obligatorischen, dreimonatigen Pflicht-Kurs an einer Klinik zu absolvieren. „Aber so ein Kurs ist nicht toll!“, klagt Xuyuan Hu. „Nur am Wochenende und zu viel Stoff.“ Man lerne dort nicht richtig. Aber andererseits... die Erfahrung muss man ja eh beim Praktizieren selbst sammeln. „Das ist auch viel wichtiger“, findet er. Hier in dieser Klinik hat er nun einen angemessenen Trainingsplatz gefunden und die blasse Frau aus dem Westen, also mich, da mit ähnlich kalter Milz und Magen wie ihr Meister, längst für sich gewonnen.

  

Für zu blass an diesem Tag hält mich vor allem Yanling Li. Nein, nicht blass, schlimmer: Ich bin „glanzlos, gelb“, sagt sie. „Ein typisches Zeichen für Energiemangel.“ Sie tauscht nun den Stuhl mit Xuyuan Hu, der sich zurückzieht und auf mich in seinem mit allem technischen Gerät ausgestatteten Behandlungsraum wartet. Yanling Li ist im Gegensatz zu ihrem zarten Mitarbeiter echte TCM-Ärztin. An die Uni ging sie schon 1999.

 

  

„Da war die TCM in China noch nicht sehr verbreitet“, sagt sie. Beziehungsweise schon lange nicht mehr. Die Chancen also nach erfolgreich bestandenem Studium als TCM-Ärztin an Krankenhäusern zu praktizieren standen nicht eben hoch, die westliche Medizin überwog bei weitem. „Das ist heute noch immer so“, erklärt Yangling Li, „aber nicht mehr derart ausschließlich“. Sie selbst hätte damals ohnehin ein anderes Studium gewählt, aber ihre Eltern hatten das so für sie entschieden.

  

„Ich stamme aus einer TCM-Familie!“, erklärt sie den Grund. Alle Männer der Familie, Vater, Opa, praktizierten die traditionell chinesische Medizin. „In der Kulturrevolution heimlich.“ Natürlich. Der Großvater war von schwacher Konstitution gewesen, das hat ihn einst zur TCM gebracht. Er begann daher, so wie es Xuyuan Hu tat, sich die chinesische Medizin selbst beizubringen und schließlich sein Wissen an Yanling Lis Vater weiterzugeben. So reicht das Wissen weit. „Die Pulsdiagnose habe ich noch von meinem Opa gelernt!“, sagt Yangling Li stolz. „Als Gedächtnisstütze musste ich Rezeptur-Lieder singen.“ Die mussten auswendig gelernt werden.

  

Ihr Leben war also vorgezeichnet, ob sie wollte oder nicht. Doch heute ist sie glücklich darüber, dass ihre Eltern so für sie entschieden haben und es freut sie, wenn sie Heilungseffekte bei Patienten erzielt. Spezialisiert hat sie sich später auf die Frauen leiden: Unfruchtbarkeit, Menstruation … Die Diagnose erstellt sie bei Frauen mittels der schon genannten Pulsdiagnose und bei Kindern durch Beobachtung, hernach erfolgt eine Handmassage. „Qingdao ist bekannt für Kindermassage“, erklärt Yanling Li selbstbewusst und strahlt, anders als Xuyuan Hu, eher etwas Materielles, Geschäftstüchtiges aus. Etwas Unruhiges gar.

  

  

Sie ist die Gründerin des Hauses, konnte dieses moderne, schön gelegene Objekt günstig von einem glücklichen Patienten zum Freundschaftsmietpreis erwerben und schmiedet nun große Pläne, damit sich das Unternehmen trägt. Sie möchte ein differenzierteres, größeres Programm als bisher anbieten und sie möchte überdies ein Ausbildungsplatz sein. Doch es gibt ein Problem: Es mangelt an Fachkräften, vor allem an guten, und um selbst ausbilden zu können, braucht sie von der Regierung noch das Recht zur Qualifizierung. So ist sie derzeit lediglich befugt, Masseure auszubilden.



Das Kratzen übrigens, um noch einmal darauf zurück zukommen, sagt sie, sei eine für mich persönlich ungeeignete Prozedur. „Es ist gut bei Erkältung und um Hitze auszuleiten.“ Aber mir, die ich schon arm an Qisei, würde es nur weitere Energie nehmen, mich also zusätzlich schwächen. Kein Wunder also, dass mich das Kratzen nur wund gemacht hat, aber es sonst keine spürbar positive Wirkung hinterließ. Wobei einmal andererseits auch keinmal ist... Wie auch immer, der Notstand an gut ausgebildetem Personal in Sachen TCM wurde deutlich, ein Notstand, der sich einerseits aus mangeln dem Verantwortungsgefühl kleiner Dienstleister ergibt, andererseits aus mangelndem Interesse oder Vertrauen in die alte chinesische Heilkunde durch die Bevölkerung. Angebot und Nachfrage. Was nicht zwangsläufig bedeutet, dass es in kleinen Salons unkundig zugeht. 


© unsplash

Hier in dem Qingdaoer Körperpflege-Institut gibt man sich wirklich Mühe und ist kompetent, gekratzt wird übrigens auch. Bei Bedarf. Doch ob es wirklich ratsam ist, wie mir Yanling Li im Folgenden empfiehlt, ein Produkt aus Eselhaut zu mir zu nehmen, sehr teuer, weiß ich nicht. Ich bin versucht. Doch Shasha schüttelt nur gereizt den Kopf und lacht. „So ein Unsinn“, sagt sie. „Das brauchst du nicht.“

  

Aber eine Massage nehmen wir jetzt schon. Ich schlüpfe hierzu in ein rosa Outfit, das mir ungemein zu meinem gelben Gesicht steht und gebe mich erneut der Behandlung meines kleinen, smarten Meisters hin, der die rauchigen Moxa-Dämpfe über ein Abluftrohr aus dem Zimmer schafft, aber hoffentlich meinem Antlitz das heutige Qi gekonnt wärmend zuführt. Mal sehen.:-)



 

 

Simone Harre, 1971 in Freiburg geboren, lebt als zweifache Mutter und prämierte Autorin in Brühl. Als sie 2014 zum ersten Mal nach China reist, erkennt sie, dass sie alles, was sie zuvor über die Volksrepublik gedacht hat, revidieren muss. Sie geht auf die Suche nach dem »wahren« China. Fünf Jahre lang spricht sie mit Chinesen aller Schichten und bekommt einen tiefen und seltenen Einblick in das Leben der Menschen hinter der Kulisse.

  

  

  

https://simoneharre.com/

 

Inzwischen gibt sie auch Glückskurse unter der Webseite:  www.simoneharre-Glückshelden.de